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«Als Anzugträger unerwünscht»

Anlässlich der Ausstellung «Tatort Stadion 2» bot sich am «Tag der deutschen Einheit» die Möglichkeit einer Filmvorführung mit anschließender Podiumsdiskussion im Dynamostadion beizuwohnen. 2009 hatte der Journalist Günter Wallraff mit seiner Selbstversuchdoku über den Umgang mit Menschen afrikanischer Herkunft im deutschen Alltag landesweit für Diskussionsstoff gesorgt. Besonders die Szenen im Anschluss des Auswärtsspiels in Cottbus und deren Kommentierung hatten damals für Unmut im Verein und der Fanszene gesorgt. Das ungebrochene Interesse an diesem Thema zeigte sich im Besuch der Veranstaltung, die mit ca. 150 Personen gut gefüllt war.

Anschließend an einige exemplarische Szenen führte der Journalist und Buchautor Christoph Ruf durch die lebhaft und kontrovers geführte Podiumsdiskussion bei der neben Wallraff auch der Geschäftsführer der SGD, Christian Müller, und die Geschäftsführerin des Kulturbüros Sachsen, Grit Hanneforth, zu Wort kamen.

Bereits zu Beginn der Veranstaltung hatte Günther Wallraff Rassismus als gesamtdeutsches Problem herausgestellt und mangelnde Zivilcourage sowie eine breite Basis des Alltagsrassismus in unserer Gesellschaft beklagt. Grit Hanneforth pflichtete ihm bei und bemerkte, dass neben dem Fußball auch in anderen Bereichen außerhalb des medialen Brennspiegels Diskriminierungen jedweder Art weit verbreitet seien. Vor allem eine Kultur des Wegsehens und Verschweigens führe dabei immer wieder zu einer Dramatisierung der Zustände. Jeder könne und müsse Möglichkeiten suchen, in seinem persönlichen Umfeld integrative Maßnahmen zu unterstützen und Vorurteile abzubauen.

Der Geschäftsführer der SGD, Christian Müller, stellte heraus, dass bereits zahlreiche Maßnahmen zur Sensibilisierung der Fanszene initiiert und unterstützt würden. Klare Statements wie die Verbreitung des Slogans unserer Faninitiative 1953international («Rassismus ist kein Fangesang.») und das anlässlich der Vorkommnisse im DFB-Pokal publizierte Statement «Wir sind ein bunter Haufen!» wären nur zwei Beispiele des Engagements seitens der SG Dynamo.

Die leider nur leidlich durchgesetzte Stadionordnung führte er ebenso an und stellte weiterhin fest, dass Rassismus nicht die einzige Form der Diskriminierung in Fankreisen sei. Leider relativierte Müller die filmisch festgehaltenen Zustände indem er Bedenken gegenüber einer reibungslosen Mitfahrt seiner Person, «ich als Anzugträger», in einem Fanzug äußerte. Fußballfans würden dazu neigen, Menschen außerhalb ihres Interessenkreises auszuschließen. Laut Müller würden besonders auf Auswärtsfahrten die Anhänger eines Fußballvereins eine aggressive Haltung an den Tag legen. Ein Argument, dass Wallraffs aufgeworfene These des rückständigen Wesens des Fußballs eher bestätigte, der aber anbot sämtliches Material des Vorfalls im Fanzug zur Einsicht zur Verfügung zu stellen um Vorwürfe zu entkräften, gezielt die rassistischen Reaktion herausgefordert zu haben.

Abschließend wurde allseits festgestellt, dass durchaus vielversprechende Maßnahmen von Dynamo und Fanszene bereits initiiert worden sind. Nichtsdestotrotz betonten Hanneforth, Müller und Ruf, dass alle Parteien weiter am Ball bleiben müssen um im Stadion und auch im Alltag diskriminierende Tendenzen aufzuzeigen und ihnen gemeinsam entschlossen entgegenzutreten.

Allein das lange und intensive Gespräch zwischen Vereinsvertretern und Fans im Anschluss der Veranstaltung lässt hoffen, dass es allen Beteiligten Ernst ist, das «rückständige Wesen des Fußballs» zu ändern.