Einzug in den Europacup gescheitert, Polizei und Sicherheitsdienst mit überheblichem Einsatzkonzept
Unser triumphaler Marsch an die Spitze Europas wurde jäh gestoppt. Das Glück war uns im Elfmeterschießen leider nicht treu, das Ding hätte auch anders ausgehen können. So müssen Inter Mailand, Liverpool und der VfB Stuttgart eben noch auf uns warten. Dass wir auf europäischer Bühne bestehen können, hat das Spiel gegen Hannover 96 eindeutig gezeigt.
Eben nicht Europapokal-tauglich war das Einsatzkonzept der für die Sicherheit zuständigen Personen! Schon erstaunlich, immerhin hatten sowohl der örtliche Sicherheitsbeauftragte als auch die Polizei mit ihrem viel geprießenen Einsatzkonzepten bei Fußballspielen u.a. auf europäischer Ebene doch schon so viel Erfahrung. Wie gut, dass bei Einsätzen wie gegen Slask Wroclaw Ende August die Gästeeingänge schon überrannt wurden. Offensichtlich wurde in Hannover aus massiven Fehlern der jüngsten Vergangenheit nichts gelernt. Sowohl der Sicherheitsdienst als auch die Polizei unterschätzten den Umgang mit 10.000 Gästefans massiv. 500 Leute im Europapokal sind nun einmal nicht das selbe. Diese schier unglaubliche Überheblichkeit der Einsatzkräfte ist als normaldenkender Mensch schlichtweg nicht nachvollziehbar.
Bunter, lauter, frenetischer Fanmarsch
Die auf dem Fanmarsch vom Baumarkt-Parkplatz zum Gästeingang geworfenen Gegenstände auf die Reiterstaffel der anwesenden Polizistinnen und Polizisten waren nicht okay. Auch die dümmlichen «Galata-, Galata-, Galatasaray»-Nazi-Gesänge einiger besoffener Provinzproleten, die eben immer mal wieder bei größeren Auswärtsauftritten der SGD zugegen sind, die auf dem Weg zum Stadion zu hören waren, waren mehr als überflüssig. Dennoch war der Marsch friedlich, wenn man, so wie wir, Pyrotechnik als etwas Schönes interpretiert und nicht als den Untergang des Abendlandes.
Ein Fanmarsch hat für die Einsatzkräfte natürlich den großen Vorteil, dass man abschätzen kann, wann eine große Anzahl an Fans das Stadion erreicht. Das ist gut plan- und händelbar. Nur eben nicht für die Polizei in Hannover. Statt die Tore für die ca. 150 Fans, die bereits vor der Ankunft des Fanmarsches am Stadion waren, zu öffnen, blieben die Tore geschlossen (zwei kurzzeitig geöffnete Mini-Tore wurden schnell geschlossen). Auch bei Ankunft des Marsches (übrigens gespickt mit außerordentlich vielen «Normalfans», der Familienanteil war verhältnismäßig hoch) waren keine Tore geöffnet. Stattdessen war der Eingangsbereich Süd durch die Polizei abgeriegelt. Einige Fans rannten dann — sicherlich in der Absicht, die Zugänge zu stürmen — auf den Eingang zu, was aber anhand des großen Polizeiaufgebotes relativ problemlos hätte geklärt werden können, immerhin sind die Einsatzkräfte ja davon ausgegangen, dass das passieren könnte. Statt aber die Zugangsbereich lediglich zu blockieren und damit zu beginnen, die Leute einzeln durch die Kontrollen zu schicken, griffen mehrere Polizisten die komplette Spitze des Fanmarsches mit Schlagstöcken und Pfefferspray an. Dabei trafen sie aber eben auch Unbeteiligte aus dem Fanmarsch selbst und jene Personen, die bereits am Stadion warteten.
Fans, die einen zweiten offiziellen Eingang benutzen, nachdem der erste Eingang gesperrt wurde – damit konnte niemand rechnen!
Nachdem eine Öffnung der Stadiontore nach einigen Minuten immernoch nicht absehbar war, begab sich eine Gruppe von ca. 250 bis 300 Personen zum Stehplatz-Gästeeingang, die Polizei rannte hilflos hinterher. Von dieser Gruppe sind einige wenige Personen ohne Kontrolle ins Stadion. Das wäre vermeidbar gewesen, wenn die Polizisten vor dem Südeingang nicht so den Starken hätte markieren wollen, immerhin haben genug Berufskollegen vom Innenbereich des Stadions aus die Zugänge abgesichert. Dass diese durch diese wirklich naive und überflüssige Herangehensweise entstandene Lücke am Stehplatz-Eingang «ausgenutzt» werden würde, könnte sich wohl jeder vorher ausmalen, dem Auswärtsspiele nicht ganz fremd sind. Nur der Hannoveraner Polizei, dem Einsatzleiter, dem Sicherheitsbeauftragten und den ganzen sonstigen Personen mit Entscheidungsgewalt scheint das nicht klar gewesen zu sein. Die machen ja auch Europa-League, wer ist da bitte schön der Zweitligist Dynamo Dresden?
Diese Situation war das beste Beispiel dafür, dass auch 1.000 Polizisten im Einsatz einfach nicht für vermeintliche «Sicherheit» sorgen können, wenn sie orientierungslos und gleichzeitig übermotiviert zu Werke gehen. Wenn man sich tatsächlich mit den bisherigen Erfahrungen der SGD im Umgang mit uns Fans vertraut gemacht hätte, wäre die gutmütige Polizistin, die vielfach in der Presse zitiert wird (haben die nicht Pressesprecher?), wohl niemals in Todesangst verfallen. Sofern es diese Polizistin überhaupt gibt.
In der Zwischenzeit drängte auch der hintere Teil des Fanmarsches nun an den Südeingang, was zur Folge hatte, dass das Gedränge bei den immernoch geschlossenen Toren natürlich immer dichter wurde und damit auch der Druck auf die vorderen Reihen erhöht wurde. Lehmann und Christian Kabs vom Fanprojekt waren an den Eingangstoren, breit wie eine Zimmertür, um die Menge zu beruhigen, die dort nun seit einer geschlagenen halben Stunde auf Einlass wartete. Nachdem Lehmi mehrfach auf Anweisung der Polizei hin äußerte, dass die Tore «in zwei Minuten geöffnet werden» würden, wenn alle einen Schritt nach hinten gehen und ruhig bleiben würden, taten mehr und mehr Fans am Südeingang ihren Unmut kund, als genau dies eben nicht geschah. Lehmann agierte dort wirklich großartig, das muss an dieser Stelle einfach festgehalten werden.
Von hinten fingen Anhänger vemehrt an, Druck aufzubauen. Durch das mittlerweile polizeilich abgesicherte Eingangstor zu den Stehplätzen sind andere Fans in der Zwischenzeit relativ problemlos ins Stadion gekommen, auch wenn es dort wohl vereinzelt Probleme mit den Eintrittskarten gab. Das blieb natürlich dem Pulk vor dem Südeingang nicht verborgen — etliche Menschen waren im Stadion, aber die drei mittlerweile geöffneten Tore vor der eigenen Nase ließen die Fans nur im Schneckentempo hindurch. Das Gepöbel ging zu diesem Zeitpunkt wirklich von den unterschiedlichsten Fans aus, sodass es sich hier keineswegs um eine aggressive Stimmung seitens gewaltbereiter Dynamofans handelte, sondern um den absolut begründeten Frust und auch um Angst der in der Masse «gefangenen» Fans jedweden Alters.
Nachdem einzelne Personen unseres Dunstkreises, welche z.T. auch mit vor dem Südeingang ausharrten, nach knapp eineinhalb Stunden (trotz lediglich 3 m Abstand zum Eingangstor!) endlich bei den Durchsuchungen durch den Sicherheitsdienst angekommen waren, versuchte man zuständige Personen ausfindig zu machen. Aber auch das an diesem Tag wahnsinnig rotierende Fanprojekt, war im direkten inneren Eingangsbereich zu diesem Zeitpunkt nicht aufzufinden. Hier wäre womöglich zu überlegen, ob bei so einem Spiel nicht auch ein Mitarbeiter mehr vor Ort sein könnte.
Im Stadionbereich am Südeingang standen zudem etliche behelmte Polizisten, die übermotivierte Prügel-BFE, der Hannoveraner Sicherheitsdienst und unsere Dresdner Securities. Viele Menschen warteten in der Nähe der Eingänge, um ihre im Gedränge verlorenen Freunde, Frauen, Männer, Kinder, etc. wiederzufinden. Dort wurden häufig Person äußerst brachial von den Uniformierten weggezerrt, geschubst und letztlich zu den Blöcken geschickt. Wenn man die vermummten Polizisten nach deren Dienstnummer, dem Namen und den Namen des direkten Vorgesetzten fragte, setzte es dumme Sprüche und Pfefferspray. Die geforderten Informationen gab es natürlich nicht, aber jeder Fußballfan weiß, dass das Usus ist. Stattdessen wurde von einem Mitglied unserer Initiative bspw. folgender Dialog mit einem Polizisten geführt:
A.: «Sie müssen dringend weitere Tore öffnen, der Druck da draußen ist massiv. Dort stehen etliche ‚Normalofans‘. Das ist unverantwortlich!»
Polizist: «Hier stürmt keiner rein, das könnt ihr vergessen. Hier kommt keine Pyrotechnik rein.»
A.: «Was dort draußen passiert, habt ihr zu verantworten, wenn es dort verletzte Kinder gibt, ist das eure Schuld.»
Polizist: «Wenn die Pyrotechnik rein kommt, werden die Kinder dann drinnen verletzt.»
An dieser Stelle griff glücklicherweise ein weiterer Dynamofan ein. Die krude Angst vor Pyrotechnik, so streitbar das Thema für die Öffentlichkeit sein mag, darf nicht dazu führen, dass organisatorische Grundlagen beim Ablauf von Fußballspielen soweit eingestellt werden, dass für etliche Personen die körperliche Unversehrtheit gefährdet wird.
Den Umgang mit gewalttätigen Fans lernen
Es ist nachvollziehbar, dass in der öffentlichen Diskussion bestimmte Verhaltensweisen von Fußballfans geächtet werden — wenn man aber, wie das Sicherheitsdienst und Polizei in Hannover durchaus wussten, damit zu rechnen ist, dass ein geringer Teil von Fans nun einmal diese Verhaltensweisen an den Tag legen könnte, dann muss man damit umgehen können, gerade mit dem Wissen um das Spiel gegen Dortmund. Die polizeiliche Einsatzleitung hat in ihren Aufgaben am Südeingang des Stadions vollständig versagt. Die Einschätzung von Einsatzleiter Bernd Kirschning kommt in Anbetracht der gravierenden Fehler, die die Polizei an diesem Abend gemacht hat, wie blanker Hohn daher: «Wir waren vom Kräfteansatz gut aufgestellt und konnten den Situationen konsequent begegnen. Leider haben die Dynamo-Fans den Empfehlungen der Polizei nicht immer Folge geleistet, so dass sie wieder nichts dazu beigetragen haben, um ihr schlechtes Image zu verbessern.»
Es muss ganz klar konstatiert werden, dass eine Gefährdung hunderter Personen in Kauf genommen wurde. Die fehlende Intervention der zuständigen Personen kann nicht zur Schuld der Dynamofans umgedeutet werden, wenn ein Polizeisprecher im Nachgang sagt: «Wir sind sehr enttäuscht. Da war viel Aggression drin. Die Gewalt gegen Polizisten ging ausschließlich von den Dynamofans aus.» Gleichermaßen ging die Gewalt gegen Dynamofans nahezu vollständig von den eingesetzten Polizeibeamten aus. Dort war viel Aggression drin!
Wir fordern daher die SG Dynamo Dresden auf, den begonnen Weg der kritischen Aufarbeitung der Ereignisse fortzuführen und die gravierenden Versäumnisse von Hannover 96, dem Sicherheitsdienst und der Polizei in der Stellungnahme an den DFB entsprechend zu thematisieren.
Der Platzsturm nach dem Spiel war sicher nicht sonderlich klug, wurde aber keineswegs in gewalttätiger Absicht vollzogen. Diese Sicht teilte auch die Polizei Hannover in ihrer Pressemitteilung. Vielmehr ging es dort, vielleicht abgesehen von drei, vier Personen (!), ausschließlich darum, den Kontakt zur Mannschaft zu suchen, die Elfmeterschützen zu trösten und mit etwas Glück ein Trikot abzustauben.
Der Bericht von spuckelch deckt sich sehr mit unserer Wahrnehmung der Geschehnisse.